Projekte //  Versuche //  Eintagsfliegen

Die Universität hat ihren Reiz, Forschen lässt mich frohlocken: Neues erkunden, Zusammenhänge stiften und sich hierüber mit anderen Menschen austauschen. Doch es reichte nie. Was fehlte, waren sinnlich-verspielte Zugänge, waren Kunst und Kultur - und zwar als etwas, das es zu gestalten gilt. Fernab bildungsbürgerlich-aristokratischer Überheblichkeit.

Kein Schlussstrich! 2021

Die Haupttäter*innen des sog. "NSU" stammen aus Jena. Hier wuchsen sie auf, hier lernten sie den Rassismus. Ich koordiniere dort im Auftrag von JenaKultur an der Seite von Jonas Zipf und in Zusammenarbeit mit einer Vielzahl an Kooperationspartnern ein multiperspektivisches Projekt zum NSU-Komplex. Ziel der vielfältigen Aktivitäten mit Beteiligten aus Wissenschaft, Kultur, städtischen Institutionen, Vereinen und zivilgesellschaftlichen Initiativen war es, zwei Jahrzehnte nach dem Beginn der Mordserie und 10 Jahre nach dem öffentlichen Bekanntwerden des "NSU" die historischen Wurzeln und die stadtgesellschaftliche sowie politische Verantwortung in Jena in der Zeit zwischen der zweiten Hälfte der 1980er Jahre und dem Abtauchen der Terroristen 1998 zu untersuchen und auf dem Weg einer diskursiven Auseinandersetzung zu einer neuen städtischen Gedenkkultur, einer wachsenden Sensibilität gegenüber den Betroffenen von Ausgrenzung, Hass und Gewalt sowie weiterführenden Formen des Engagements gegen Rechtsradikalisierung zu gelangen. Dieses Projekt ist verknüpft mit der bundesweiten Kampagne von verschiedenen Theatern und zivilgesellschaftlichen Initiativen in den 15 Städten, die mit den Taten und Opfern des "NSU" in Verbindung stehen (Trägerverin: "Licht ins Dunkel e.V."). Bewusst greifen diese Aktivitäten die Forderung "Kein Schlussstrich!“ auf, die seit Jahren von dem Münchner Bündnis gegen Naziterror und Rassismus verwendet wird, um auf die Unzulänglichkeiten bei der Aufklärung und Auflösung des NSU-Komplexes hinzuweisen. 


Great Transformation 2019

Die Zukunft moderner Gesellschaften hat (immer schon) begonnen. Sie zeigt sich in einer Fülle an kommunalen Projekten und kulturellen Artefakten, in welche die Träume einer besseren Welt eingegangen sind. Es kommt darauf an, diese Spuren zu lesen. Das Festival  "Great Transformation. Von Spuren und Träumen einer besseren Welt" vom 23. bis 27.09.2019 wollte Raum geben für entsprechende konkrete Erfahrungen sozialer Realitäten und Alternativen. Gemeinsam mit Christine Schickert und Jonas Zipf konnte ich als Projektkoordinator dieses Festival mitgestalten, das als stadtgesellschaftliches Begleitprogramm der sozialwissenschaftlichen Konferenz "Great Transformation: Die Zukunft moderner Gesellschaften" konzipiert und von der DFG-Kollegforscher*innengruppe "Landnahme, Beschleunigung, Aktivierung. Zur (De-)Stabilisierung moderner Wachstumsgesellschaften" am Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Prof. Klaus Dörre und Prof. Hartmut Rosa) in Zusammenarbeit mit JenaKultur, der Stadt Jena, dem Theaterhaus Jena, dem Lesezeichen e.V., dem FILM e.V. dem Freiraum e.V. und Kassablanca Gleis 1 e.V.  organisiert wurde. Zentrale Gelingensbedingung war der Austausch zwischen Bürger*innen und Sozialwissenschaftler*innen: multiperspektivisch, in verschiedenen Formaten und möglichst anregend. Unter Beteiligung vieler Initiativen, Schulen und Vereine ließen sich die einzelnen Veranstaltungen als Mosaikteile einer Zukunftswerkstatt begreifen, die lokale und globale Aspekte der Thematik umfasst.


Marx Symposium 2018

Aus der Zusammenarbeit mit Jonas Zipf ging die Konzeption und Durchführung dieses künstlerisch-wissenschaftlichen Symposiums in Jena hervor. Es sollte der Auftakt sein für herausragende gemeinsame Projekte und mich auf mehrere Jahre immer wieder in diese Stadt führen. Stets rund um ein Thema versammeln sich hierbei Kultur-Einrichtungen wie das Kassablanca und das Theaterhaus Jena mit wissenschaftlichen Instituten der Friedrich-Schiller-Universität und der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. Vom 3. bis zum 6. Mai 2018 fand anlässlich des 200. Geburtstages von Karl Marx das Symposium "Von Gespenstern und geteilten Himmeln. Ideen einer gerechten Gesellschaft nach Marx" statt. Hier kamen in Jena Künstler*innen, politische Akteure sowie Wissenschaftler*innen zusammen, die sich mit Ursprung und Fortbestand, mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Ideen des Sozialismus beschäftigen. Sie begangen ein Symposium der experimentellen Art – ein Symposium künstlerischer Forschung und wissenschaftlicher Artistik, das für alle zugänglich war. Beim Abendessen in der Volksküche, bei Ausstellungen, im Theater, beim Film oder bei Konzerten begegneten sich diejenigen, die in den einzelnen Veranstaltungen verschiedene Aspekte der Idee beleuchteten, hinterfragten und diskutierten. Ein Höhepunkt war sicherlich die von Sebastian Jung fulminant inszenierte Marx-Büste im Einkaufszentrum "Neue Mitte". Die Diskussionsrunden im Garten vor dem Institut für Philosophie, hervorragend von Peggy Breitenstein inszeniert, bleiben mir unvergessen.


Datterich Festival 2015

Das anlässlich des 200. Geburtstags von Ernst Elias Niebergall 2015 in Darmstadt veranstaltete und überregional stark rezipierte Datterich-Festival geht auf eine von dem damaligen Schauspieldirektor Jonas Zipf, der Grafikerin Silke Peters und mir formulierte Idee und Initiative zurück: Als Co-Kurator des Festivals und Vorstandsmitglied in der Datterologischen Gesellschaft e.V. entwickelte ich das Format mit, demzufolge sich die lokale Kulturszene und "artists in residence" dem Darmstädter Mundart-Klassiker aus dem 19. Jahrhundert auf vielfältige Weise annäherten und es mit diskursiv aufbereitetem Zeitgeschehen wie Verschuldung und Finanzkrise oder Alkoholismus und sozialem Außenseitertum konfrontierten. Seitdem interessiere ich mich für eine Wiederbelebung der Mundart als subversives künstlerisches Element. Neben einigen Publikationen gehen u.a. der heutige "SPIRWES – Darmstädter Preis für Maulkunst und Lebenskunst" sowie die Niebergall-Statue auf dem Vorplatz des Staatstheaters auf die Initiative des Datterich-Festivals und der Datterologischen Gesellschaft zurück.

 

Nonstock Festival

Als ehemaliges Vorstandsmitglied des 2004 gegründeten "Kulturwiese Nonstock e.V." zähle ich zu den alten Hasen. Doch weitaus intensiver und beständiger als ich wirken Menschen wie Burkhard Röder, Gründer des Festivals, der seit 1998 fast in jedem Jahr maßgeblich am Gelingen und der Entwicklung des Nonstock Festivals beteiligt ist. Die seit mehr als zwanzig Jahren mit starker regionaler Resonanz in Fischbachtal-Nonrod stattfindende Veranstaltung ist eine Perle unter den Musik-Festivals im Süden Hessens. Ich selbst bin für die Pressearbeit verantwortlich und betreue seit mehreren Jahren eine Bühne für Literatur, Film, Diskurs und Performances. Die Arbeit im Rahmen des "Kulturwiese Nonstock e.V." geht allerdings weit über die Durchführung des Nonstock Festivals hinaus, verbindet Jugendliche und Erwachsene verschiedener Herkunft miteinander und stellt somit im vorderen Odenwald einen zentralen Ankerpunkt der Jugendarbeit und Soziokultur dar. Mit dem Festival verbinde ich nicht nur intensive Zeiten der Vorbereitung und Durchführung in Gemeinschaft mit famosen Menschen. Vielmehr ist das Festival und die mit ihm verknüpfte Jugendarbeit ein wesentlicher Bestandteil einer antifaschistischen und demokratischen Kultur auf dem Land. Allzu oft haben wir erlebt, wie rechtsradikale Akteure, aus den Städten verdrängt, ländliche Räume als erfolgreicheres Betätigungsfeld be- und ergreifen. Die unzähligen Initiativen auf den Dörfern, die sich für Demokratie, Gleichheit und gegen gruppenspezifische Menschenfeindlichkeit unerschrocken einsetzen, werden wichtiger denn je. Das Festival und der Trägerverein "Kulturwiese Nonstock e.V." gehören ganz bestimmt dazu, ohne es an die große Glocke zu hängen. Was wie "fun" aussieht, ist eine ernsthafte Angelegenheit. Aber so ernst dann auch wieder nicht.